Max Frisch hat 1946 einen sehr schönen Text dazu geschrieben:
Du sollst dir kein Bildnis machen
Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass aus dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass
wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertig werden: weil wir sie lieben, solange wir sie lieben. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben, sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum?
So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Mögliche voll, aller Geheimnisse voll, unfassbar ist der Mensch, den man liebt. Nur die Liebe erträgt ihn so [...] Max Frisch: Tagebuch 1946 – 1949
Dieser Text ist mir vor 2 Jahren in die Hände geraten. Heute lese ich ihn wieder anders, weil sich die Lebenssituation ständig ändert… in 4 Jahren werde ich ihn wieder anders lesen.
Ich mag den Text sehr, da er die Liebe diskutiert und sich nicht nur auf eine Position stellt. Die Liebe sieht mit dem Herzen, da gibt es keinen Zweifel. Man kann es nicht sagen, wieso man jemanden liebt, man weiß es ganz einfach.
Dieser geliebte Mensch ist, ob er will oder nicht, für den Liebenden etwas Besonderes und kann für manche Menschen noch so viel Dummes machen, er wird den Liebenden nicht davon abbringen, ihn zu lieben.
Das ist eben die Liebe…